Eine neue Disziplin für die KI-Entwicklung

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Definition und Paradigmenwechsel

Context Engineering ist eine aufkommende Disziplin, die das Design dynamischer Systeme zur Bereitstellung der richtigen Informationen und Werkzeuge im richtigen Format zum richtigen Zeitpunkt für LLMs und KI-Agenten umfasst1 2 3. Diese Disziplin stellt einen fundamentalen Paradigmenwechsel von der traditionellen Prompt-Engineering-Praxis dar.

Während Prompt Engineering sich auf die Gestaltung perfekter Anweisungen konzentriert, architektiert Context Engineering das komplette Informationsökosystem, das ein KI-System umgibt4. Tobi Lütke, CEO von Shopify, beschreibt es als „die Kunst, allen Kontext für eine Aufgabe bereitzustellen, die von einem LLM plausibel lösbar ist“3.

Kernprinzipien und Komponenten

Context Engineering basiert auf mehreren grundlegenden Prinzipien:

Systembasierter Ansatz: Im Gegensatz zu statischen Prompts baut Context Engineering dynamische Systeme auf, die Kontext aus verschiedenen Quellen zusammenführen können1. Diese Systeme müssen in der Lage sein, Informationen von Entwicklern, Benutzern, vorherigen Interaktionen, Tool-Aufrufen und externen Datenquellen zu verwalten.

Dynamische Kontexterstellung: Der Kontext wird in Echtzeit basierend auf den aktuellen Anforderungen der Aufgabe generiert2. Dies bedeutet, dass das System je nach Bedarf verschiedene Informationsquellen anzapfen und den Kontext entsprechend anpassen kann.

Vollständige Informationsbereitstellung: Context Engineering stellt sicher, dass das LLM alle notwendigen Informationen erhält, um eine Aufgabe erfolgreich zu bewältigen1. Dies umfasst nicht nur die unmittelbare Anfrage, sondern auch relevante Hintergrundinformationen, verfügbare Tools und strukturierte Ausgabeformate.

Technische Architektur

Die technische Umsetzung von Context Engineering umfasst mehrere Schichten:

Instruktionen und Systemanweisungen: Diese definieren das grundlegende Verhalten des Systems und enthalten Regeln, Beispiele und Richtlinien3 5.

Kurzzeitgedächtnis: Verwaltung der aktuellen Gesprächshistorie und des Zustands der Interaktion4.

Langzeitgedächtnis: Persistente Speicherung von Benutzerpräferenzen, früheren Erkenntnissen und domänenspezifischem Wissen4.

Retrieval-Augmented Generation (RAG): Dynamische Informationsbeschaffung aus externen Wissensbasen und Dokumenten2 6.

Tool-Integration: Bereitstellung und Verwaltung von Funktionen, die das LLM zur Aufgabenerfüllung nutzen kann3.

Herausforderungen und Grenzen

Context Engineering bringt spezifische Herausforderungen mit sich:

Token-Optimierung: Mit begrenzten Kontextfenstern müssen Informationen intelligent komprimiert und priorisiert werden7. Selbst bei erweiterten Kontextfenstern von bis zu 1 Million Tokens kann die Leistung bei etwa 32.000 Tokens abnehmen4.

Kontextfehlermodi: Drew Breunig identifizierte mehrere Problemarten: Context Poisoning (Halluzinationen kontaminieren den Arbeitsbereich), Context Distraction (irrelevante Informationen überlasten das Modell) und Context Clash (widersprüchliche Informationen)7.

Komplexität der Orchestrierung: Die Koordination verschiedener Informationsquellen, Speichersysteme und Tools erfordert ausgeklügelte Architekturansätze7.

Praktische Anwendungen

Context Engineering findet in verschiedenen Bereichen Anwendung:

Unternehmenslösungen: KI-Assistenten können auf Confluence-Seiten, Jira-Tickets und CRM-Daten zugreifen, um komplexe Anfragen zu beantworten6.

Entwicklungsumgebungen: Code-Assistenten wie Claude Code und Cursor nutzen Context Engineering, um Projektarchitekturen zu verstehen, Fehler zu identifizieren und stilkonsistenten Code zu generieren7.

Kundenservice: Chatbots können frühere Support-Tickets, Kontostatus und Produktdokumentation berücksichtigen, um personalisierte Unterstützung zu bieten4.

Zukunftsperspektiven

Context Engineering entwickelt sich zu einer zentralen Disziplin in der KI-Entwicklung. Experten wie Walden Yan von Cognition AI bezeichnen es als „den wichtigsten Job für Ingenieure, die KI-Agenten entwickeln“8.

Die Entwicklung geht in Richtung multimodaler Kontextintegration, bei der Texte, Bilder, Audio und strukturierte Daten in einheitlichen Kontextsystemen verarbeitet werden9. Edge Computing ermöglicht die Verarbeitung von Kontext auf lokalen Geräten, während Real-Time Context Streaming kontinuierliche Aktualisierungen basierend auf Live-Datenfeeds ermöglicht9.

Schlussfolgerung

Context Engineering stellt einen fundamentalen Wandel in der KI-Systementwicklung dar. Während Prompt Engineering sich auf die Optimierung einzelner Anweisungen konzentriert, schafft Context Engineering intelligente Informationsökosysteme, die KI-Systeme befähigen, komplexe Aufgaben zuverlässig zu bewältigen. Diese Disziplin wird zunehmend zum entscheidenden Faktor für den Erfolg von KI-Anwendungen in realen Umgebungen.

Die Beherrschung von Context Engineering ist nicht nur ein technisches Erfordernis, sondern ein strategischer Vorteil für Organisationen, die KI-Systeme entwickeln und einsetzen möchten. Es ermöglicht die Entwicklung von KI-Assistenten, die nicht nur reagieren, sondern proaktiv und kontextbewusst agieren können.

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